Kurze Geschichte des Islam
Ismail Nawwab - Peter Speers - Paul Hoye - Amat Allah Abd Allah (edited by IslamReligion.com)
(teil 1 von 5): Der Prophet des Islam
Im Jahr 570 wurde ein Kind mit dem Namen Muhammad, das einmal der Prophet von einer der größten Weltreligionen - dem Islam - werden würde, in eine Familie hineingeboren, die zum Stamm der Quraisch gehörte, der in Mekka, einer Stadt im Hijaz in Nordwestarabien, regierte.
Mit der Kaaba, einem Heiligtum aus alter Zeit, war Mekka im Zuge des Untergangs Südarabiens im sechsten Jahrhundert zu einem wichtigen Handelszentrum mit ähnlicher Macht wie die Sassanier, die Byzantiner und die Äthiopier geworden. Infolge dessen wurde die Stadt von den Familien mächtiger Händler beherrscht, von denen die Männer der Quraisch die überragendsten waren.
Muhammads Vater, ´Abd Allah ibn ´Abd al-Muttalib, starb noch vor der Geburt seines Sohnes; seine Mutter, Aminah, starb, als er sechs Jahre alt war. Der Waisenjunge wurde von seinem Großvater in Obhut genommen, dem Oberhaupt vom Stamm der Haschim. Nach dem Tod seines Großvaters, wurde Muhmmad von seinem Onkel, Abu Talib, aufgenommen. Wie es der Brauch war, wurde das Kind Muhammad für ein oder zwei Jahre zu einer Beduinenfamilie geschickt. Dieser Brauch, der noch bis vor kurzem von verehrten Familien in Mekka, Medina, Taif und anderen Städten des Hijaz aufrecht erhalten wurde, hatte eine wichtige Bedeutung für Muhammad. Zusätzlich dazu, dass er lernte, die Härten des Wüstenlebens zu ertragen, eignete er sich ihre reiche Sprache an, welche die Araber so sehr liebten, deren Sprache ihre stolzeste Kunst darstellte, und er lernte auch die Geduld und die Beherrschung der Hirten zu verstehen und zu würdigen, deren einsames Leben er zuerst geteilt hatte.
Im Alter von etwa zwanzig trat Muhammad in den Dienst einer verwitweten Händlerin mit dem Namen Khadija und leitete ihre Handelskarawanen in den Norden. Etwas später heiratete er sie, und sie bekamen zwei Söhne, von denen keiner am Leben blieb, und vier Töchter.
Er begann, sich zum Meditieren in eine Höhle auf dem Berg Hira außerhalb von Mekka zurückzuziehen, wo sich die erste große Begegnung des Islam ereignete. Eines Tages als er in der Höhle saß, hörte er eine Stimme, die sich später als die Stimme des Engels Gabriel herausstellte, der ihm befahl:
“ Lies im Namen deines Herrn, Der erschuf. Er erschuf den Menschen aus einem Blutklumpen.” (Quran 96:1-2)
Dreimal erklärte Muhammad, er sei des Lesens nicht mächtig, aber jedesmal wiederholte der Engel den Befehl. Schließlich rezitierte Muhammad die Worte, die heute als die ersten fünf Verse des 96. Kapitels des Qur´an bekannt sind – Worte, die verkünden, dass Gott der Schöpfer des Menschen ist und die Quelle allen Wissens.
Zuerst vertraute Muhammad seine Begegnung nur seiner Frau und dann seinem engsten Kreis an. Aber als er dann mehr Offenbarungen erhielt, die ihn aufforderten, die Einheit Gottes allgemein zu verkünden, wuchs die Menge seiner Anhänger an, zuerst unter den Armen und den Sklaven, aber später auch von den bekanntesten Männern Mekkas. Die Offenbarungen, die er zu jener Zeit erhielt, und solche, die er später erhielt, sind alle im Qur´an, der Heiligen Schrift des Islam, enthalten.
Nicht jeder nahm die Botschaft Gottes an, die Muhammad verkündete. Sogar von seinem eigenen Stamm gab es solche, die seine Lehren zurückwiesen, und viele Händler bekämpften die Botschaft aktiv. Dieser Widerstand bestärkte Muhammads in seiner Mission und seinem Verständnis, worin genau sich der Islam vom Götzedienst unterschied. Der Glaube an die Einheit Gottes steht im Islam an erster Stelle; alles andere folgt daraus. Die Verse des Qur´an betonen Gottes Einzigartigkeit, warnen jene, die dies leugnen, vor ihrer bevorstehenden Strafe und verkünden Seine unbegrenzte Zufriedenheit mit denen, die sich Seinem Willen unterwerfen. Sie bestätigen das Jüngste Gericht, wenn Gott, der Richter, den Glauben und die Taten eines jeden Menschen wägen wird, Er wird die Gläubigen belohnen und die Übertreter bestrafen. Denn der Qur´an weist die Vielgötterei ab und betont die moralische Verantwortlichkeit des Menschen in kraftvollen Bildern – eine gewaltige Herausforderung für die weltlichen Mekkaner.
(teil 2 von 5): Die Hiğrah
Nachdem Muhammad über ein Jahrzehnt in der Öffentlichkeit gepredigt hatte, erreichte die Feindschaft gegen ihn einen Höhepunkt, so dass er aus Angst um ihre Sicherheit einige seiner Anhänger nach Äthiopien schickte. Der christliche Herrscher dort gewährte ihnen Schutz, wodurch er den Muslimen immer in Erinnerung blieb. In Mekka aber wurde die Verfolgung immer schlimmer. Muhammads Anhänger wurden gestört, beleidigt und sogar gequält. Schließlich wurden siebzig von Muhammads Anhängern auf seinen Befehl hin nach Norden in die Stadt Yathrib geschickt, in der Hoffnung einen neuen Wirkungskreis der islamischen Bewegung aufzubauen. Diese Stadt wurde später umbenannt in Medina ("Die Stadt"). Später, im frühen Herbst 622, brach er mit seinem engsten Freund, Abu Bakr al-Siddieq, auf, um mit den Emigranten zu sein. Dies ereignete genau zu der Zeit, als die mekkanischen Führer eine Verschwörung planten, um ihn zu töten.
Als die Verschwörer in Mekka in Muhammads Haus kamen, fanden sie seinen Kousin Ali in seinem Bett vor. Außer sich vor Wut setzten die Mekkaner eine Belohnung auf Muhammads Kopf aus und nahmen seine Verfolgung auf. Muhammad und Abu Bakr aber hatten in einer Höhle Zuflucht gesucht, wo sie sich vor ihren Verfolgern versteckten. Durch den Schutz Gottes zogen die Mekkaner an der Höhle vorbei, ohne sie zu bemerken, und Muhammad und Abu Bakr zogen weiter nach Medina. Dort wurden sie voller Freude von einer großen Menschenmenge empfangen – von den Bewohnern Medinas und von den Mekkanern, die schon zuvor ausgewandert waren, um ihnen den Weg zu bereiten.
Dies war die Hiğrah, unrichtiger Weise häufig als "Flucht" übersetzt, mit der die islamische Zeitrechnung beginnt. Tatsache ist, dass die Hiğrah keine Flucht war, sondern eine sorgfältig geplante Auswanderung, die nicht nur einen Bruch in der Geschichte – den Beginn der Islamischen Ära - markiert, sondern für Muhammad und die Muslime auch eine neue Lebensweise. Zukünftig bildete nicht mehr nur Blutsverwandschaft das organisatorische Prinzip der Gesellschaft, sondern etwas größeres: die Bruderschaft aller Muslime. Die Männer, die Muhammad bei der Hiğrah begleitet hatten, wurden die Muhağiruun genannt – "diejenigen, die Hiğrah gemacht haben" oder "Auswanderer" – während die Muslime aus Medina die Ansaar oder "Helfer" genannt wurden.
Muhammad war mit der Situation in Medina wohlvertraut. Früher, vor der Hiğrah, waren verschiedene von den Bewohnern Medinas nach Mekka gekommen, um an der jährlichen Pilgerschaft teilzunehmen. Der Prophet hatte die Gelegenheit dazu genutzt, um die Pilger zum Islam einzuladen, und die Gruppe aus Medina hatte auf seinen Ruf gehört und den Islam angenommen. Sie waren es auch, die Muhammad angeboten hatten, sich in Medina anzusiedeln. Nach der Hiğrah waren die Bewohner Medinas von Muhammads außergewöhnlichen Fähigkeiten so beeindruckt, dass die rivalisierenden Stämme und ihre Verbündeten sich zeitweilig zusammenschlossen, wie am 15. März 624 um Muhammad und seine Unterstützer gegen die Götzendiener Mekkas zu verteidigen.
Der erste Kampf, der in der Nähe von Badr, jetzt eine kleine Stadt im Südwesten Medinas, stattfand, hatte unterschiedliche wichtige Auswirkungen. Erstens schlugen die muslimischen Kräfte die dreifache Menge der Mekkaner in die Flucht. Zweitens zeigte die Disziplin, die die Muslime den Mekkanern demonstrierten, vielleicht zum ersten Mal die Fähigkeiten des Mannes, den sie aus ihrer Stadt vertrieben hatten. Drittens wurde einer der verbündeten Stämme, der geschworen hatte, die Muslime in der Schlacht bei Badr zu unterstützen und sich dann gleichgültig zeigte, als der Kampf begann, einen Monat nach der Schlacht aus Medina verwiesen. Jenen, die behaupteten, Verbündete der Muslime zu sein, aber sie insgeheim bekämpften, wurde auf diese Weise eine Warnung erteilt: von einem Mitglied der Gemeinschaft wurde absolute Unterstützung erwartet.
Ein Jahr darauf schlugen die Mekkaner zurück. Mit einem Aufgebot von dreitausend Mann trafen sie bei Uhud, einer Hügelkette außerhalb von Medina aufeinander. Nach anfänglichem Erfolg wurden die Muslime zurückgedrängt und der Prophet selbst wurde verletzt. Da die Muslime nicht vollständig geschlagen worden waren, griffen die Mekkaner Medina zwei Jahre später mit einer Armee von nunmehr zehntausend Mann wieder an, aber mit einem ganz anderen Ergebnis. In der Grabenschlacht, auch die Schlacht der Verbündeten genannt, errangen die Muslime einen signalisierenden Erfolg, indem sie eine ganz neue Art der Verteidigung einführten. Auf der Seite Medinas, auf der der Angriff erwartet wurde, hoben sie einen Graben aus, der zu tief war, als dass die mekkanische Reiterei ihn überwinden konnte, ohne sich den Bogenschützen, die hinter Erdwällen dahinter aufgestellt waren, auszuliefern. Nach einer erfolglosen Belagerung waren die Mekkaner gezwungen, sich zurückzuziehenn. Hierauf war Medina ganz in den Händen der Muslime.
(teil 3 von 5): Die Eroberung von Mekka
Die Konstituierung Medinas – unter der sich die Stämme, die Muhammad als den Propheten Gottes akzeptierten, verbündet oder vereinigt hatten – stammt aus jener Zeit. Sie zeigte, dass das das politische Bewusstsein der Gemeinschaft einen wichtigen Punkt erreicht hatte; ihre Mitglieder definierten sich selbst als eine Gesellschaft, die anders war als alle anderen. Die Konstituierung definierte ebenfalls die Rolle der Nicht-Muslime in der Gesellschaft. Juden, beispielsweise, waren ein Teil der Gesellschaft; die waren Dhimmis, dh. beschützte Menschen, solange sie sich an die Gesetze hielten. Dies stellte einen Präzedenzfall für die Behandlung betroffener Menschen während der späteren Eroberungen dar. Christen und Juden wurde, gegen Zahlung einer geringen Steuer, religiöse Freiheit gewährt und, unter Aufrechterhaltung ihres Stands als Nicht-Muslime, waren sie verbündete Mitglieder des muslimischen Staates. Dieser Status konnte nicht auf Götzendiener angewendet werden, die in einer Gesellschaft, in der der Eine Gott angebetet wird, nicht toleriert werden konnten.
Ibn Ishaq, einer der frühesten Biographen des Propheten, sagte, es war ungefähr zu dieser Zeit, als Muhammad Briefe an die Herrscher der Erde schickte – an den König der Perser, den Kaiser der Byzantiner, den Negus von Abbessinien und den Statthalter von Ägypten unter anderen – um sie einzuladen, sich dem Islam zu unterwerfen. Nichts zeigt das volle Vertrauen dieser kleinen Gemeinschaft mehr, deren militärische Kraft trotz der Grabenschlacht noch unbedeutend war. Aber ihr Vertrauen war nicht umsonst. Muhammad knüpfte eine Serie so effektiver Bündnisse zwischen den Stämmen, dass er 628 mit 15 000 Anhängern Zugang zur Kaaba verlangen konnte. Dies war ein Meilenstein in der Geschichte der Muslime. Nur kurze Zeit war vergangen, seit Muhammad seinen Geburtsort verlassen hatte, um einen islamischen Staat in Medina zu gründen. Jetzt wurde er von seinen früheren Feinden als ein Führer in seinem eigenen Reich behandelt. Ein Jahr später 629 kam er zurück und eroberte Mekka ohne Blutvergießen und mit dem Geist einer Toleranz, die ein Ideal für zukünftige Eroberungen aufstellte. Er zerstörte auch die Götzen in der Kaaba, um dem Götzendienst dort ein für allemal ein Ende zu bereiten. Zur selben Zeit, nahmen ‘Amr ibn al-’As, der zukünftige Eroberer von Ägypten, und Khalid ibn al-Walid, das zukünftige "Schwert Gottes", den Islam an und schworen Muhammad die Treue. Ihre Konversion ist besonders erwähnenswert, denn diese beiden Männer hatten noch kurz zuvor zu den erbittertsten Feinden Muhammads gezählt.
In einer Hinsicht bildete Muhammads Rückkehr nach Mekka den Höhepunkt seiner Mission. 632, gerade drei Jahre später, erkrankte er plötzlich und am 8. Juni desselben Jahres verstarb der Gesandte Gottes in Anwesenheit seiner dritten Frau Aischa "in der Mittagshitze".
Der Tod Muhammads war ein schwerer Verlust. Für seine Anhänger war dieser einfache Mann aus Mekka weit mehr als ein geliebter Freund, weit mehr als ein begabter Verwalter, weit mehr als der verehrte Führer, der aus den Häufchen einander bekriegender Stämme einen neuen Staat gebildet hatte. Muhammad war auch ein Vorbild für die Lehren, die er ihnen von Gott gebracht hatte: die Lehren des Qur´an, die Jahrhunderte lang die Gedanken und die Taten, den Glauben und das Verhalten unzählbarer Männer und Frauen geleitet haben, und welche eine andere Ära für die Menschheit einleiteten. Sein Tod hatte allerding wenig Auswirkung auf die dynamische Gesellschaft, die er in Arabien geschaffen hatte, und überhaupt keine Auswirkungen auf seine zentrale Botschaft: den Qur´an der Welt mitzuteilen. Wie Abu Bakr es in Worte fasste: "Was den betrifft, der Muhammad anzubeten pflegte, lasset ihn wissen, dass Muhammad gestorben ist. Aber was den betrifft, der Gott anzubeten pflegte, lasst ihn wissen, dass Gott lebt und nie stirbt!"
(teil 4 von 5): Das Kalifat von Abu Bakr und Umar
Mit Muhammads Tod stand die muslimische Gemeinschaft dem Problem der Nachfolge gegenüber. Wer sollte der Führer sein? Vier Personen waren offensichtlich für die Führerschaft vorgemerkt: Abu Bakr al-Siddieq, der Muhammad nicht nur zehn Jahre zuvor nach Medina begleitet hatte, sondern der auch dazu bestimmt wurde, die Menschen während der letzten Krankheit des Propheten im öffentlichen Gebet zu führen; Umar ibn al-Khattab, ein fähiger und vertrauenswürdiger Gefährte des Propheten; Uthman ibn ‘Affan, ein respektierter früher Konvertierter und ‘Ali ibn Abi Talib, Muhammads Kousin und Schwiegersohn. Ihre Frömmigkeit und Fähigkeit, die Angelegenheiten der islamischen Nation zu lenken, war bei allen außergewöhnlich. Bei einem Treffen, das einberaumt worden war, um die Führerschaft festzulegen, ergriff Umar die Hand von Abu Bakr und schwor ihm seinen Treueeid, ein traditionelles Zeichen, dass er ihn als neuen Führer anerkannte. Bei Sonnenuntergang kamen alle zusammen und Abu Bakr wurde als Khaliefah – eingedeutscht: Kalif – anerkannt; dieses Wort bedeutet eigentlich "Nachfolger", deutet aber auch an, welche historische Rolle er spielen würde: gemäß dem Quran und der Handlungsweise des Propheten zu regieren.
Abu Bakrs Kalifat war kurz aber bedeutend. Ein vorbildlicher Führer, er lebte einfach, erfüllte eifrig seine religiösen Pflichten und war seinem Volk zugänglich und sympatisch. Aber als einige Stämme, die den Islam nur dem Namen nach anerkannt hatten, ihn unmittelbar nach dem Tod des Propheten widerriefen, erwies er sich als standhaft. In einer großen Vollendung disziplinierte Abu Bakr sie unverzüglich. Später vereinte er die Kräfte der Stämme auf der Arabischen Halbinsel und konzentrierte ihre Energie gegen die mächtigen Imperien des Ostens: Sassaniden in Persien und die Byzantiner in Syrien, Palästina und Ägypten. Kurz: er demonstrierte die Lebensfähigkeit des Muslimischen Staates.
Der zweite Kalif, Umar – von Abu Bakr benannt, fuhr damit fort, diese Lebensfähigkeit zu demonstrieren. Er nahm den Titel Amier al-Muminien oder Befehlshaber der Gläubigen an und weitete die Islamische Herrschaft mit vom rein militärischen Standpunkt her erstaunlichen Siegen auf Syrien, Ägypten, Irak und Persien aus. Innerhalb von vier Jahren nach dem Tod des Propheten hatte der muslimische Staat seinen Herrschaftsbereich auf ganz Syrien ausgeweitet und hatte in einer berühmten Schlacht während eines Sandsturms in der Nähe des Flusses Yarmuk die Macht der Byzantiner beschnitten – deren Herrscher, Heraklius, sich kurz zuvor geweigert hatte, den Ruf des Islam anzunehmen.
Was sogar noch erstaunlicher ist, ist die Art mit der der muslimische Staat die eroberten Territorien verwaltete: mit einer Toleranz die zu jener Zeit nicht alltäglich war. In Damaskus beispielsweise unterzeichnete der muslimische Führer, Khalid ibn al-Walid, folgenden Vertrag:
Dies ist, was Khalid ibn al-Walid den Bewohnern von Damaskus gewährt, wenn er dort einzieht: er verspricht ihnen, dass ihre Leben, ihr Besitz und ihre Kirchen in Sicherheit sind. Ihre Stadtmauer soll nicht beschädigt werden; es soll kein Muslim in ihren Häusern einquartiert werden. Dazu geben wir ihnen den Vertrag Gottes und den Schutz Seines Propheten, des Kalifs und der Gläubigen. Solange sie die Kopfsteuer bezahlen, soll ihnen nichts als Gutes widerfahren.
Diese Toleranz war bezeichnend für den Islam. Ein Jahr nach Yarmuuk erhielt Umar in dem Militärlager von al-Jabijah auf dn Golanhöhen das Wort, dass die Byzantiner bereit seien, Jerusalem zu übergeben. Daraufhin ritt er persönlich hin, um die Übergabe anzunehmen. Einer Überlieferung zufolge betrat er die Stadt alleine und mit einem einfachen Umhang bekleidet, was die Menschen in höchstes Erstaunen versetzte, die die verschwenderischen Trachten und Hofzeremonien der Byzantiner und Perser gewohnt waren. Er erstaunte sie noch mehr, als er ihre Befürchtungen beruhigte, indem er einen großzügigen Vertrag abschloss, in welchem er festlegte: "Im Namen Gottes...ihr habt vollkommene Sicherheit für eure Kirchen, die von den Muslimen weder besetzt noch beschädigt werden sollen."
Diese Politik erwies sich überall als erfolgreich. In Syrien beispielsweise, freuten sich zahlreiche Christen, die in schwere theologische Konflikte mit den herrschenden Byzaninern verwickelt gewesen waren – und deshalb verfolgt wurden, über das Kommen des Islam und das Ende der Tyrannei. Und in Ägypten, das Amr ibn al-As nach einem unerschrockenen Marsch durch die Sinai-Halbinsel von den Byzantinern übernahm, hießen die koptischen Christen die Araber nicht nur willkommen, sondern unterstützten sie enthusiastisch.
Dieses Muster wiederholte sich im gesamten Byzantiner Reich. Konflikte zwischen grichisch Orthodoxen, syrischen Monophysiten, Kopten und nestorischen Christen trugen zum Fall der Byzantiner – die immer als Eindringline betrachtet wurden – mit dazu bei, öffentliche Unterstützung zu entwickeln, wohingegen die Toleranz, welche die Muslime gegenüber Christen und Juden an den Tag legten, den primären Grund, sie abzulehnen, aufhob.
Umar nahm diese Eigenschaft auch bei der Verwaltung an. Obgleich er Muslime als Statthalter in die neuen Provinzen schickte, wurden existierende byzantinische und persische Verwalter beibehalten, wo es möglich war. Fünfzig Jahre lang war Griechisch die offizielle Sprache in Syrien, Ägypten und Palästina gewesen, während Pahlavi die offizielle Sprache der Sassaniden weiterhin in Mesopotanien und Persien benutzt wurde.
Umar, der zehn Jahre lang Kalif war, beendete seine Herrschaft mit einem bedeutenden Sieg über das Persische Reich. Der Kampf gegen das Sassanidische Reich hatte 636 bei al-Qadisiyah begonnen, in der Nähe von Ctesiphon im Irak, wo die Kavallerie der Muslime sich erfolgreich mit den Elefanten messen konnten, welche von den Persern als eine Art einfacher Panzer eingesetzt wurden. Mit der Schlacht von Nihavand besiegelte Umar dann das Schicksal Persiens; von da an bildete es eine der wichtigsten Provinzen des muslimischen Reiches.
Sein Kalifat war ein Höhepunkt der frühen islamischen Geschichte. Er war bekannt für seine Gerechtigkeit, seine sozialen Ideale, seine Verwaltung und seine Staatsführerschaft. Seine Erneuerungen hinterließen einen alles überdauernden Eindruck auf die soziale Fürsorge, die Steuer und die finanzielle und verwaltungspolitische Beschaffenheit des wachsenden Reiches.
(teil 5 von 5): Das Kalifat von Uthman ibn Affan
Wahl von Uthman
Umar ibn Al-Khattab, der zweite Kalif des Islam, wurde von einem persischen Sklaven Abu Lu´lu´ah, einem persischen Zauberer, erstochen, als er das Fajrgebet führte. Als Umar auf dem Totenbett lag, baten ihn die Menschen, die um ihn herum standen, einen Nachfolger zu bestimmen. Umar benannte ein Kommittee aus sechs Leuten, die unter sich den nächsten Kalif bestimmen sollten.
Dieses Kommittee bestand aus Ali ibn Abi Talib, Uthman ibn Affan, Abdur-Rahman ibn Auf, Sad ibn Abi Waqqas, Az-Zubayr ibn Al-Auam und Talhah ibn Ubayd Allah, die zu den angesehensten Gefährten des Propheten, Gottes Segen und Frieden seien auf ihm, gehörten und die zu ihren Lebzeiten bereits die guten Nachrichten vom Paradies bekommen haben.
Die Anweisung Umars besagte, dass innerhalb von drei Tagen ein Nachfolger feststehen sollte und dieser sollte am vierten Tag seinen Dienst beginnen. Nachdem zwei Tage ohne eine Entscheidung vergangen waren, wurden die Mitglieder besorgt, weil die Zeit so schnell verging und noch immer keine Lösung des Problemes in Sicht zu sein schien. Abdur-Rahman ibn Auf bot an, auf seinen eigenen Anspruch zu verzichten, wenn die anderen sich bereit erklärten, seiner Entscheidung zuzustimmen. Alle waren damit einverstanden, Abdur-Rahman den neuen Kalif auswählen zu lassen. Er befragte jeden Nominierten und ging durch Medina, um die Menschen zu befragen, wen sie wählen würden. Schließlich bestimmte er Uthman zum neuen Kalif, weil ihn die Mehrheit der Menschen gewählt hatten.
Sein Leben als Kalif
Uthman führte ein einfaches Leben, auch nachdem er der Führer des islamischen Staats geworden war. Es wäre für ihn als erfolgreichen Geschäftsmann leicht gewesen, ein luxuriöses Leben zu führen, aber das war nie sein vorrangiges Ziel in dieser Welt. Sein einziges Ziel war, die Freuden des Jenseits zu genießen, denn er wusste, dass diese Welt nur eine Prüfung für das Jenseits darstellt und vorübergeht. Uthman war, als er Kalif geworden war, noch genauso großzügig.
Die Kalifen wurden für ihre Dienste aus der Staatskasse bezahlt, aber Uthman nahm nie ein Gehalt für seinen Dienst am Islam. Nicht nur das, er machte es sich zum Brauch, jeden Freitag Sklaven zu befreien, nach Witwen und Waisen zu sehen und unbegrenzt Almosen zu geben. Seine Geduld und Beständigkeit waren Charaktereigenschaften, die zu einem erfolgreichen Führer machten.
Uthman erreichte sehr viel in seiner Regierungszeit. Er kam voran in Befriedung Persiens, verteidigte den muslimischen Staat weiter gegen die Byzantiner, fügte das, was heute Libyen genannt wird, zum Reich dazu und unterwarf den größten Teil Armeniens. Mit seinem Kousin Mu'awiyah ibn Abi Sufyan, dem Statthalter von Syrien, stellte er eine arabische Flotte auf, die eine Serie wichtiger Gefechte gegen die Byzantiner schlug.
Von noch größerer Bedeutsamkeit für den Islam war allerdings, Uthmans Zusammenstellung des Qurantextes, wie er dem Propheten offenbart worden war. Erkennend, das die ursprüngliche Botschaft Gottes unabsichtlich durch Textvarianten verdreht werden könnten, benannte er ein Kommittee, das die kanonischen Verse sammeln und abweichende Texte vernichten sollte. Das Ergebnis war der Text, der bis zum heutigen Tag in der gesamten muslimischen Welt anerkannt ist.
Widerstand und Ende
Während seines Kalifats trat Uthman viel Widerstand von neuen, angeblichen Muslimen aus neuen islamischen Staaten entgegen, die begannen, ihn zu beschuldigen, nicht dem Beispiel des Propheten und der vorangegangenen Kalifen in Regierungsangelegenheiten zu folgen. Die Gefährten des Propheten allerdings verteidigten ihn immer. Diese Beschuldigungen veränderten ihn nie. Er blieb immer ein gnädiger Herrscher. Auch in der Zeit, als ihn seine Widersacher angriffen, nutzte er nicht die Staatskasse, um sein Haus oder sich bewachen zu lassen. Wie vom Propheten Muhammad vorhergesehen, machten Uthmans Feinde ihm ununterbrochen das Regieren schwer, indem sie ihn konstant befeindeten und beschuldigten. Letztendlich schmiedeten seine Widersacher einen Komplott gegen ihn und beauftragten Leute, um ihn zu töten.
Viele seiner Berater baten ihn, der Bedrohung ein Ende zu bereiten, aber das tat er nicht, bis er beim Quranrezitieren ermordet wurde, genau wie der Prophet es vorausgesagt hatte. Uthman starb als Märtyrer.
Anas ibn Malik berichtete folgendes.
“Der Prophet stieg einmal mit Abu Bakr, Umar und Uthman auf den Berg Uhud. Der Berg bebte unter ihnen. Der Prophet sagte (zu dem Berg): "Bleib fest, o Uhud! Denn auf dir stehen ein Prophet, ein früher Unterstützer von mir und zwei Märtyrer.” (Sahieh al-Bukhari)